Allgemeines
Nairobi ist
eine junge Stadt. Die wenigen Sehenswürdigkeiten der kenianischen Hauptstadt
sind schnell erkundet, auch die Ziele in der unmittelbaren Umgebung lohnen nur
einen kurzen Besuch. Dennoch sollte man Nairobi auf einer Kenia-Reise nicht
auslassen. Die Widersprüche, mit denen das ostafrikanische Land zu kämpfen
hat, werden nirgendwo sonst so augenfällig wie hier. Beinahe europäisch wirkt
das relativ überschaubare Zentrum mit seinen glitzernden Hochhausfassaden,
hinter denen sich noble Hotels, Banken, Botschaften und
Versicherungsgesellschaften verbergen. Manchmal trennen nur wenige hundert Meter
die moderne City von den Slums, in denen Hunderttausende unter ärmlichsten
Bedingungen leben. Natürlich entstehen angesichts dieser krassen Gegensätze
erhebliche soziale Probleme. Die Kriminalitätsrate im Schmelztiegel Nairobi ist
hoch. Dennoch ist es tagsüber (in der Regel) ungefährlich, allein oder in
kleinen Gruppen das Zentrum zu erkunden. Nachts ist die City nahezu
ausgestorben, auch kürzere Wegstrecken sollte man dann unbedingt im Taxi zurücklegen.
Auf jeden Fall ist es sicherer, nur einen kleinen Geldbetrag dabeizuhaben und
die teure Kameraausrüstung im Hotel zurückzulassen. Nicht selten wird man
Zeuge, wie Jugendliche einem wohlhabenden Weissen oder Schwarzen die Geldbörse
aus der Hosentasche ziehen. Nairobi liegt auf einer Hochebene, östlich des
ostafrikanischen Grabens, im Grenzbereich zwischen trockener Savannenlandschaft
im Süden und dem niederschlagsreicheren fruchtbaren Hochland im Norden. Als grösste
und bedeutendste Stadt Ostafrikas ist Nairobi Sitz mehrerer
internationaler Organisationen. Vor allem aber ist die ”Stadt des kühlen
Wassers” (”enkare nairobi”), wie die Masai den Platz des heutigen Nairobi
vor seiner Vereinnahmung durch die Europäer nannten, das unumstrittene
politische, wirtschaftliche und Finanzzentrum des Landes. Die meisten grossen
Firmen haben ihre Hauptniederlassung in Nairobi, und die kenianische Industrie
konzentriert sich vorwiegend auf die Hauptstadt. Zahlreiche Betriebe der
Lebensmittel-, Metall- und Holzverarbeitung sowie der chemischen Industrie haben
sich im Süden und Nordosten von Nairobi angesiedelt. Auch die wichtigsten
Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen, darunter zwei Universitäten, haben in
Nairobi ihren Sitz. Zum Aufstieg Nairobis hat wesentlich die zentrale Lage
beigetragen.
Dadurch entwickelte sich die Metropole zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt
innerhalb Afrikas. Hier kreuzen sich der Trans Africa Highway, der die Ostküste
mit der Westküste verbindet, sowie die Nord-Süd-Route von Kairo nach Kapstadt.
Jomo Kenyatta International Airport wird von dem meisten grossen Airlines
bedient, weitgehend dem Inlandsflugverkehr ist Wilson Airport vorbehalten. Die
Einwohnerzahl Nairobis hat mittlerweile vermutlich bereits die
Zweimillionenmarke überschritten. Über 90% der Bewohner sind Afrikaner, von
denen die Kikuyu, gefolgt von den Luo, Luhya und Kamba, den grössten Bevölkerungsanteil
stellen. Der Anteil der Asiaten und Europäer an der Bevölkerung hat in den
letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen. Man schätzt, dass 60-80% der Bewohner
Nairobis in den vor allem östlich der Innenstadt gelegenen Slums leben. Der
Zuzug kann kaum kontrolliert werden. Aus allen Regionen Kenias kommen Menschen
hierher, auf der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten und verbesserten
Lebensbedingungen – eine meist trügerische Hoffnung. Da solide Erwerbsmöglichkeiten
rar sind (allerdings immer noch besser als in anderen Landesteilen), erwirbt ein
Grossteil der Slumbewohner seine Einkünfte günstigenfalls als Strassenhändler,
vielfach aber auch als Bettler, Krimineller oder durch Prostitution.
Nairobi hat, obwohl es 140 km südlich des Äquators liegt, für Europäer ein
ausgesprochen angenehmes Klima. Ursache hierfür ist die Lage in knapp 1700 m Höhe.
Die tägliche Durchschnittstemperatur schwankt im Jahreslauf nur zwischen 17 C
und 21 C. Nicht zu unrecht wird die Metropole als ”City in the Sun“ gerühmt.
Nur zwischen Juni und August sind relativ viele trübe Tage zu verzeichnen,
abends kann es in diesen Monaten unangenehm kühl werden. Die meisten Niederschläge
fallen zwischen März und Mai bzw. im November / Dezember, es klart danach
jedoch meist schnell wieder auf.
Geschichte
Nairobi
verdankt seine Existenz der Eisenbahn. Mit dem Bau der Uganda Railway, die den
Indischen Ozean mit dem Victoriasee verbinden sollte, war 1896 in Mombasa
begonnen worden. Etwa auf halber Strecke zwischen der Küstenmetropole und dem
Zielort Kisumu am Victoriasee legte man ein Versorgungscamp an, um von hier aus
die komplizierte Trassenlegung am Steilabfall des Rift Valley bewerkstelligen zu
können. Kilometer für Kilometer frass sich die Schmalspurbahn von Mombasa ins
Land vor und erreichte 1899
das Eisenbahnercamp am Nairobi River. Aus dem Zeltlager entwickelte sich schnell
eine kleine Stadt, die jedoch zunächst nur aus einer Ansammlung von Schuppen
und Bretterbuden bestand. Befestigte Wege gab es nicht, und nach Regenfällen
war ein Vorwärtskommen im Pferdewagen nahezu unmöglich. Als 1901/1902 und 1904
die Pest ausbrach, war man versucht, die Siedlung in dem sumpfigen,
moskitoverseuchten Gebiet wieder aufzugeben. Statt dessen wurden die
Bretterbuden niedergebrannt und neu aufgebaut. Im Jahre 1905 wurde Nairobi
anstelle von Mombasa zur Hauptstadt des damaligen Britisch-Ostafrika erklärt.
Bereits 1907 lebten hier 10’000 Menschen. Die Diskussionen um eine Verlegung
der jungen Hauptstadt rissen nicht ab, noch während des Ersten Weltkriegs war
dies im Gespräch. Dann wurden allerdings zahlreiche weitere Steinbauten
errichtet und entlang der Strasse, die den Bahnhof mit dem Norfolk Hotel
verbindet (damals Government Road, heute Moi Avenue) entwickelte sich das städtische
Zentrum.
Die Glanzzeit der aufstrebenden Stadt begann in den zwanziger Jahren, als reiche
weisse Siedler, Grosswildjäger und Glücksjäger hier ihrem ausschweifenden
Lebensstil ausgiebig nachgehen konnten. Im Zweiten Weltkrieg hatte Nairobi
Bedeutung als Militärbasis. Der weitere Aufschwung war nun nicht mehr
aufzuhalten. In den fünfziger Jahren wurden etliche Repräsentationsgebäude
errichtet, darunter das Parlamentsgebäude und das Nationaltheater. Als Kenya
1963 seine Unabhängigkeit erlangte, hatte Nairobi 350’000 Einwohner. In der
Hauptstadt setzte ein weiterer Bauboom ein, die einstige Europäermetropole
wurde zunehmend zur bedeutenden afrikanischen Grossstadt. Besonderer Stolz des
jungen Staats wurde das 1973 fertiggestellte Kenyatta Conference Centre.
Mittlerweile leben vermutlich mehr als 2 Mio. Menschen in Nairobi. Angesichts
des hohen Bevölkerungswachstums und des starken Zustroms in die Hauptstadt
werden es – so die Schätzungen – bis zum Jahre 2020 vermutlich 15 Millionen
sein.
Stadtbild
Das
eigentliche, schachbrettartig angelegte Stadtzentrum erstreckt sich auf einem
Gebiet von nur 4 qkm und lässt sich daher gut zu Fuss erkunden. Hier dominieren
moderne Bauten, Hochhäuser aus Glas und Stahl, nur wenige Gebäude erinnern
noch an die koloniale Vergangenheit. Die meisten besseren Geschäfte,
Restaurants, einige noble Hotels und zahlreiche Banken findet man in dem Viertel
zwischen Kenyatta Avenue, Moi Avenue, City Hall Way und Uhuru Highway. Die
Vororte und Siedlungen rund um das Zentrum spiegeln noch heute die Strukturen
der Kolonialzeit wider. Farbige, Schwarze und Weisse lebten damals strikt nach
Hautfarbe getrennt. Die Europäer, die sich seit 1900 in Nairobi niederliessen,
errichteten westlich des Zentrums ihre Villen. Bis heute sind hier die besseren
Wohnviertel der Millionenstadt. Als nobelster Vorort gilt allerdings Muthaiga im
Norden der Innenstadt. Viele Botschafter haben hier ihre Residenzen, auf dem Gelände
des Muthaiga Golf Clubs trifft sich die High Society der Stadt. Muthaiga grenzt
an die Viertel Parklands und Pangani, traditionelle Wohnviertel der in Nairobi
lebenden Asiaten. Das südliche Stadtareal ist Industriegebiet, noch weiter südlich
liegt der Nairobi National Park.
Slums
Östlich der Innenstadt erstrecken sich die Slumgebiete. Berüchtigt ist vor allem das Mathare Valley. Das Bevölkerungswachstum in den Slumgebieten ist ausserordentlich hoch. Lebten im Mathare Valley 1965 nicht einmal 5’000 Menschen, so waren es 1970 bereits 90’000. Heute wohnen etwa 200’000 Menschen auf einer Fläche von nur 140 ha. Die ”besten” Behausungen sind aus Lehm errichtet, andere aus Holz zusammengestückelt, die Ärmsten der Armen leben hinter Pappe und müssen anstelle eines Wellblechdachs mit Plastiktüten und Blechstücken Vorlieb nehmen. Nicht selten teilen sich zehn und mehr Personen einen winzigen fensterlosen Raum. Strom- und Wasseranschlüsse sind die Ausnahme. Doch weit gefehlt, dass hier jemand einfach seine Hütte errichten und dann darin umsonst leben kann. Die ”Bauplätze” werden vermietet. Und wer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht rechtzeitig nachkommt, muss befürchten, dass die Behausung am nächsten Tag nicht mehr steht. Mitunter lässt auch die Stadtverwaltung Buden und Hütten dem Erdboden gleichmachen. Was nur zur Folge hat, dass andernorts neue Elendsviertel aus dem Boden schiessen. Angesichts der Perspektivlosigkeit, mit der fast alle Slumbewohner leben müssen, versteht es sich von selbst, dass Alkoholmissbrauch, Prostitution, Gewalt und Kriminalität an der Tagesordnung sind. Als weisser Wohlstandsbürger wird man hier mit Aggressionen rechnen müssen.